County Londonderry

Zwischen Lough Foyle, Lough Neagh und dem River Bann erstreckt sich die nordirische Grafschaft Londonderry. Dreh- und Angelpunkt des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens ist Derry.

Als erste Stadt im Vereinigten Königreich durfte sich Derry im Jahr 2013 „Britische Kulturhauptstadt“ nennen.

Die Jury befand die nordirische Stadt im Jahr 2010 für würdig, diesen Titel zu tragen und belohnte damit das jahrelange Engagement der Stadtväter für Kunst und Kultur.

Besucher der Stadt durften sich 2013 auf ein abwechslungsreiches Programm aus Musikfestivals, sportlichen Großveranstaltungen, Theateraufführungen und Kunstausstellungen freuen. Derry setzte sich gegen 29 Mitbewerber aus dem gesamten Königreich durch und tritt mit diesem Titel in die Fußstapfen von Liverpool. Die Metropole im Nordwesten von England war 2008 Europäische Kulturhauptstadt.

Das kulturelle Zentrum im Norden der Grünen Insel war über viele Jahrzehnte ein Symbol des Widerstands. Schon die Nennung des lange geführten Stadtnamens „Londonderry“ galt als politische Aussage. Die katholischen Republikaner und Nationalisten nennen die Stadt, die auf eine Klostergründung des heiligen St. Columba im 6. Jahrhundert zurückgeht, Derry. Für die protestantischen Royalisten heißt sie nach wie vor Londonderry.

Lange galt die Metropole am Foyle als ein Zentrum der politischen Unruhen in Nordirland.

Video: Londonderry in Nordirland

1608 war Derry von den Engländern erobert worden. Die protestantischen Engländer, die nun hier angesiedelt wurden, tauften die Stadt kurzerhand um. In den kommenden Jahrzehnten versuchten die Katholiken immer wieder vergeblich die Stadt zurückzuerobern. Im 19. Jahrhundert etablierte sich in Londonderry eine florierende Baumwoll- und Leinenindustrie. Die überwiegend katholischen Arbeiter und deren Familien wurden in der so genannten Bogside, einem Moorgebiet vor den Toren der Stadt, angesiedelt. Durch die Unabhängigkeit der Republik Irland und der daraus resultierenden Teilung der Grünen Insel wurde Londonderry 1921 quasi über Nacht zur Grenzstadt.

1969 errichteten die Bewohner der Bogside Barrikaden um ihr Viertel und erklärten es zum Free Derry, zum freien Derry. Als trauriger Höhepunkt der Troubles gilt der 30. Januar 1972. An jenem Sonntag, der als Bloody Sunday Eingang in die Geschichtsbücher finden sollte, erschossen bei einer friedlichen Demonstration britische Fallschirmjäger 13 unbewaffnete Katholiken.

Ein folgenschweres Ereignis, das Straßenschlachten und Bombenanschläge in ganz Nordirland zur Folge hatte und die IRA zu neuem Leben erweckte. Viele, viele Tote, unzählige Schießereien und Bombenattentate, aber auch Hausdurchsuchungen und eine Welle von Verhaftungen brachten Londonderry fortan eine traurige Berühmtheit ein. Immer wieder wurden die proklamierten Waffenruhen gebrochen.

Gewalt, Angst und Hass dominierten nun (wieder) den Alltag am River Foyle. Eine traurige Entwicklung, die seit 1998 glücklicherweise der Vergangenheit angehört. Denn nach langwierigen und zähen Verhandlungen konnte in den Ostertagen jenes Jahres das „Karfreitagsabkommen“ unterzeichnet werden, das eine dauerhafte Deeskalation, die Entwaffnung aller Terrororganisationen in Nordirland sowie eine weitgehende Selbstbestimmung des Landes umfasst.

Zwar blieben auch danach ab und an leichte Spannungen nicht aus, doch inzwischen ist in Nordirland und im einstigen Unruheherd Londonderry der Frieden eingekehrt. Und mit ihm finden nun mehr und mehr Touristen den Weg ins überaus sehenswerte Derry.

Die 70.000 Einwohner zählende Stadt hat neben dem langen Schatten einer bewegten Vergangenheit besonders innerhalb der Stadtmauer und in der nahe gelegenen Bogside einiges zu bieten. Das legendäre Arbeiterviertel mit der markanten Mauer mit der Aufschrift You are entering Free Derry besticht durch riesige beeindruckende Wandmalereien, Murals genannt. Und auch die gewaltigen und inzwischen verwaisten Wachtürme der britischen Besatzer, insbesondere das im Jahre 1789 im Stile eines Triumphbogens errichteten Bishop’s Gate, sind mahnende Zeugen der unrühmlichen Vergangenheit Derrys.

Ansonsten konzentrieren sich die Sehenswürdigkeiten mit Ausnahme der Guildhall, des neogotischen Rathauses aus dem Jahre 1890, innerhalb der Stadtmauern. Die jeweils gegenüber liegenden Stadttore markieren die Grenzen der Altstadt, deren Straßen im Hauptplatz The Diamond zusammenlaufen. Nur einen Steinwurf von der Shipquay Street, einer der innerstädtischen Hauptachsen, entfernt, befindet sich das Derry Craft Village, das mit seinen zahllosen Nachbauten wie die Schablone eines mittelalterlichen Dorfes wirkt und vor allem Kunsthandwerk, Pubs und Cafés beheimatet.

Hier sorgte die Stadtverwaltung für eine mixed community – man achtet bei der Vergabe der Wohnungen, die im ersten Stock über den Geschäften und Cafes liegen, darauf, nur junge Familien mit einem 50:50 Verhältnis von Katholiken und Protestanten anzusiedeln.

Von der Stadtmauer am New Gate fällt der Blick auf das protestantische Wohnviertel entlang der London Street. Hier sind die Bürgersteige und Laternenmasten in blau, weiß und rot gestrichen, den Farben des Union Jacks, der britischen Flagge. Und mit einer überdimensionalen Wandmalerei dokumentieren die Bewohner ihre Treue zur britischen Krone. Unweit des Shipquay Gates säumen gut erhaltene Kanonen aus dem 17. Jahrhundert die Stadtmauer, während das angrenzende Tower Museum Exponate zur bewegten Geschichte Derrys enthält. Die komplett erhaltene Stadtmauer stammt übrigens aus dem 17. Jahrhundert. Der in einigen Abschnitten bis zu neun Meter breite und acht Meter hohe Wall umspannt die historische Altstadt auf einer Länge von 1,5 Kilometern.

Zwischen Bishop’s Gate, dem nachträglich eingebauten New Gate und dem Ferryquay Gate liegt das älteste Gotteshaus innerhalb der Stadtmauern: St. Columb’s Cathedral. Zwischen 1628 und 1633 wurde die protestantische Kirche, in deren Innern die ersten Kirchenglocken Irlands zu bestaunen sind, im neogotischen Stil errichtet. Im Vorraum der Kathedrale liegt eine basketballgroße Eisenkugel auf einem Metallständer.

Dies ist die einzige Kanonenkugel, die während der Belagerung von Derry ins Innere der Stadtmauer geschossen wurde. Die Kugel explodierte aber nicht und blieb im Ganzen erhalten. Der Grund dafür: Bei diesem Exemplar war das Loch nicht mit Kanonenpulver gefüllt, sondern mit einem Friedensangebot, das die Einwohner von Derry jedoch ausschlugen. Diese Kanonenkugel wiegt 57 Kilogramm und wird von den Bewohnern scherzhaft als „die erste Luftpost der Welt“ bezeichnet.

Derry stand übrigens nicht nur lange im Ruf ein Zentrum des Widerstands zu sein, es ist Irland Halloween-Hauptstadt. In keiner anderen Stadt der Grünen Insel genießen die Feierlichkeiten einen derart hohen Stellenwert. Nicht nur Kürbisfratzen verbreiten dann Angst und Schrecken, aber auch jede Menge Spaß entlang der Partymeilen der Stadt.

Sich zu verkleiden, ist ein Muss! Auf den Straße sieht man die verrücktesten Kostüme und Masken, bis sich im Ende alle auf einem der vielen Halloween-Bälle tummeln – bis in die frühen Morgenstunden, den „small“ oder „wee hours“. Viele Konzerte finden statt. Und natürlich werden auf der Stadtmauer und am Flussufer Geistertouren angeboten.

Die zweitwichigste Stadt der Grafschaft ist Coleraine. Die 57.000-Seelen-Gemeinde am River Bann gibt vor, der älteste besiedelte Flecken Irlands zu sein. Die geschichtlichen Wurzeln reichen zurück bis in die Mittelsteinzeit. Die Ruinen des Mountsandel Fort vor den Toren der Stadt stehen exakt an der Stelle, an der Jäger bereits 7.000 vor Christus ihr festes Lager bezogen.

Das markanteste Gebäude in Coleraine ist neben der Town Hall die St. Patrick’s Church, die just an der Stelle errichtet wurde, an der der heilige Patrick bereits im 5. Jahrhundert ein Gotteshaus gründete. Das Archiv der selbst ernannten „Hauptstadt der Causeway Coast“ besitzt die Originalskripte von 47 Gedichten aus der Feder von John Hewitt, einem der bekanntesten irischen Dichter der Neuzeit.

Eng verknüpft ist der Name der Grafschaft auch mit dem Schriftsteller Seamus Heaney, der 1995 zum Literatur-Nobelpreisträger gekürt wurde. Der Autor wuchs nur einige Meilen außerhalb des Örtchens Bellaghy auf einer Farm namens Mossbawan auf. Mit der Bellaghy Bawn wurde ihm bereits zu Lebzeiten ein Museum gewidmet. Heaney selber unterstützte die Restauration dieses Gebäudekomplexes aus dem Jahre 1622 und stiftete viele seiner Originalskripte.

Daneben befinden sich in dem kleinen, aber feinen Museum ein Archiv und ein Studienraum, den Studenten nutzen können, die sich der (Er-) Forschung dieses großen zeitgenössischen Literaten verschrieben haben. Neben allen Printausgaben seiner Werke sind auch alle Fernseh- und Radiointerviews archiviert.

Ein informativer Film, den Seamus Heaney selbst produziert hat und in dem er selbst zu Wort kommt, kann ebenfalls hier angesehen werden. Die regionalen Bezüge in seinen Gedichten lassen sich sehr gut auf Rundgängen durch das Dorf nachvollziehen.

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