Die letzten Schritte zum Aufstand

Durch die Infiltration der IRB und der nationalistischen Bewegung allgemein hatte die britische Verwaltung einige konkrete Erkenntnisse:

1. Die IRB plante einen bewaffneten Aufstand mit Schwerpunkt Dublin.

2. Ausführender Arm des Aufstandes sollten die Irish Volunteers und die Irish Citizen Army sein.

3. Die Führung des Aufstandes unterlag der IRB und damit deren führenden, der Verwaltung bekannten, Mitgliedern.

4. Der bewaffnete Aufstand war geplant für einen Zeitpunkt kurz nach der Anlandung von Waffen für die Volunteers.

5. Sir Roger Casement befand sich zum Zweck des Waffenkaufs in Deutschland und würde den Transfer beaufsichtigen.

Ergo konnte ein Wiederauftauchen Casements in Irland und eine darauffolgende Mobilisierung der Volunteers nur den Aufstand bedeuten! Was aber im April 1916 dann tatsächlich geschah, schien diese Erkenntnisse und auch jede Logik ausser Acht zu lassen …

Am Karfreitag 1916 tauchte ein deutsches U-Boot vor Irlands Westküste auf, an Bord unter anderem der Rebellenunterhändler Casement.

Dieser wusste (oder ahnte zumindest), auf was für einen verlorenen Posten er sich begab. Spätestens, als man das Rendezvous mit dem Waffentransporter “Aud” verpasste … die “Aud” wurde später von der Royal Navy aufgebracht und versenkte sich auf dem Weg nach Queenstown selbst. Statt jedoch wieder nach Berlin zurückzukehren, liess sich Casement an Land bringen und stand dann wie bestellt und nicht abgeholt am “lonely Banna Strand”.

Seine republikanischen Kontakte in Irland kamen nicht zum Rendezvous, stattdessen schlugen ihn des Königs Häscher in Banden. Ohne viel Aufhebens identifizierte Casement sich selbst und ohne nennenswerten Widerstand ging er in Gefangenschaft. Seine Beteiligung am irischen Freiheitskampf war beendet, seine Gefangennahme wurde umgehend nach Dublin gemeldet.

Parallel bemerkte man in der irischen Hauptstadt merkwürdige Vorgänge in den Reihen der Irish Volunteers, die in rascher Reihenfolge widersprüchliche Befehle erhielten, letztlich aber zumindest in Alarmbereitschaft versetzt wurden. Zumindest in Dublin.

Der Stabschef der Irish Volunteers, Eoin MacNeill, bekam Wind von den Plänen des geheimen Militärrats der IRB , die einen bewaffneten Aufstand am Ostersonntag, 23. April 1916, vorsahen.

Ohne eine Vollbewaffnung der Volunteers schätzte O’Neill den Plan (realistisch) als undurchführbar ein – Pearse verwies jedoch auf die aus Deutschland erwartete Lieferung via Casement. Als dann bekannt wurde, dass Casement verhaftet und die Waffen versunken waren, blies MacNeill den Osteraufstand ab. Die für den Ostersonntag geplanten “Manöver” der Volunteers wurden von ihm in direkten Befehlen und einer Anzeige im “Sunday Independent” abgesagt. Thomas MacDonagh gab daraufhin kurzfristig einen neuen Befehl heraus – die Dubliner Einheiten der Irish Volunteers hätten am Ostermontag um 10:00 Uhr mit Waffen und Rationen für einen Tag (!) bereitzustehen.

Aber nicht nur innerhalb der Irish Volunteers herrschte Chaos und Misstrauen – die verbündete ICA traute den Nationalisten nicht komplett. James Connolly schärfte der ICA unmittelbar vor Beginn der Kampfhandlungen ein: “Die Chancen gegen uns sind 1000:1! Aber sollten wir gewinnen, behaltet Eure Gewehre, die Volunteers könnten andere Ziele haben. Denkt dran: Wir kämpfen nicht nur für politische Freiheit, sondern auch für ökonomische Freiheit! Also haltet fest an Euren Gewehren!”

In Dublin klingelten beim Lord Lieutenant alle Warnglocken – Casement in Irland? Die Volunteers alarmiert? Das konnte im Zweifelsfall nur bedeuten, dass der Aufstand unmittelbar bevorstand! Sofort erliess Lord Wimborne den Befehl, “die üblichen Verdächtigen” einzulochen – fünfzig bis hundert bekannte Mitglieder der IRB sollten sofort in Haft genommen werden. Eine durchaus lobenswerte Idee, denn in diesem Moment hätte ein gezielter Schlag noch die Verschwörung enthaupten und so zumindest planlos machen können.

Was aber an diesem Sonntag geschah, das spottete jeder Beschreibung: Birrell war wie üblich nicht in Dublin, so dass Wimbornes Kontakt der Schreibtischjockey Sir Nathan war. Und der entschied vom grünen Tisch aus, dass sich der Lord-Lieutenant eindeutig zuviel Sorgen mache und dass man niemanden verhaften müsse.

Die beste Chance der britischen Verwaltung, den irischen Aufstand präventiv zu kontern, war vergeben. Und auch eine Reaktion wurde durch die allzu grosse Lässigkeit erschwert – die Garnison wurde nicht über eine mögliche Gefährdung informiert, so dass am Morgen des Ostermontag nahezu das komplette Offizierskorps den Bank Holiday genoss und wie üblich nach Fairyhouse (Co. Meath) zum Pferderennen pilgerte!

Was dann geschah, hatte einen Anstrich von Aktionstheater – vor den Augen der flanierenden Dubliner, die den Feiertag genossen, marschierten nahezu ungehindert bewaffnete Kolonnen der Irish Volunteers und der ICA durch die Stadt, besetzten einige zentrale Punkte, hissten auf dem Postamt in der Sackville Street die Fahne irgendeiner ominösen “Irish Republic” und riefen diese dann auch aus. Wenige Zuschauer mögen begriffen haben, dass sich Dublin damit in ein Kriegsgebiet verwandeln würde.

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