Der Verlauf der Rebellion

Ostermontag, 12 Uhr mittags - vor den Augen der den Bank Holiday geniessenden Dubliner marschierten Einheiten der Irish Volunteers und ICA durch die sonst eher ruhige Innenstadt.

Ihre Uniformierung und Bewaffnung war bunt, vor allem die Volunteers trugen die via Howth eingeschmuggelten, antiquierten Gewehre, hatten kaum Munition und waren ebenso schwer wie ungenau. Einige modernere Gewehre waren zu sehen, meist gestohlen aus britischen Vorräten.

Ein grosser Teil der Männer bewaffnete sich jedoch mit Spiessen, Spitzhacken, Brecheisen und Vorschlaghämmern! James Connollys Kommentar zu einem Gewerkschaftskollegen: “Bill, man wird uns abschlachten!”

Binnen kürzester Zeit jedoch wurde klar, dass hier mehr als patriotisches Säbelgerassel stattfand. Nördlich der Liffey stürmten die irischen Milizen fünf Gebäude, südlich des Flusses neun, auch die Bahnstationen wurden angegriffen.

Im imposanten General Post Office (GPO) in der Mitte der Sackville Street schlug die Führungsgruppe der Rebellen ihr Hauptquartier auf, dabei unter anderem Patrick Pearse, James Connolly, der schwerkranke Joseph Plunkett, der nicht unbedingt vollkommen vom Sinn der Aktion überzeugte The O’Rahilly, Tom Clark, Sean MacDermott und ein eher unbekannter Adjutant namens Michael Collins .

In Bolands Bisquitfabrik verschanzte sich Eamon de Valera, Michael Mallin und die Gräfin Markiewicz besetzten St. Stephen’s Green, Eamonn Ceant einige Armenhäuser im Südwesten der Stadt, Eamonn Daley die Four Courts. Der Versuch, das Magazine Fort im Phoenix Park zu plündern, war inspiriert und in seiner Tarnung als Fussballspiel genial, scheiterte jedoch letztlich an einem winzigen Detail – die Rebellen kamen nicht in die Waffenkammer, weil der Kommandant den Schlüssel mit zum Pferderennen genommen hatte !

Ebenfalls ein Fehlschlag war der Versuch, Dublin Castle einzunehmen – man vertraute auf (falsche) Gerüchte über eine starke Garnison und brach den Angriff ab. Und das festungsgleiche Trinity College liess man mangels genügend Aufständischer schlicht links liegen! Den Angriff auf die Telefonzentrale brach man ab, weil eine alte Frau rief, das Gebäude sei voll von Soldaten – erst fünf Stunden später trafen die ersten britischen Verteidiger dort ein.

Die Besetzung des an sich lieblichen Parks des St. Stephen’s Green nahm groteske Züge an, als die Briten das von Mallin und Markiewicz ignorierte Shelbourne Hotel nutzten, um den in den Tulpenbeeten Schutz suchenden Rebellen mit Maschinengewehren die Leviten zu lesen. Da machte es dann eigentlich auch nichts mehr aus, dass die wesentlichen Köpfe der Rebellion gemeinsam im selbst von kurzsichtigen Kanonieren nicht zu verfehlenden GPO sassen und noch hilfreich bunte Fahnen gehisst hatten.

Die Erfolge der ersten Stunden aber liessen die Rebellen ihren wichtigsten Moment geniessen – über dem GPO wurde eine grün-weiss-orangene Fahne mit der Aufschrift “Irish Republik” gehisst und unter dem gestrengen Blick Lord Nelsons rief Patrick Pearse eben diese Republik aus. Der Text der Proklamation, notdürftig bei Nacht und Nebel gedruckt, wurde plakatiert. Danach hiess es dann abwarten – die britischen Truppen waren am Zug!

Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Planung der Rebellen ging nicht wesentlich über die dramatische Besetzung einiger strategischer Punkte hinaus. Drei Möglichkeiten gab es für eine erfolgreiche Rebellion:

1. Ganz Irland könnte sich der Rebellion anschliessen und so die Briten ins Meer jagen,

2. die Briten könnten einsehen, dass Irland unregierbar war und sich zurückziehen oder

3. die Deutschen könnten Truppen entsenden, um an der Seite der Rebellen zu kämpfen.

Insgesamt alles so realistische Einschätzungen wie Connollys (sozialistisch inspirierte) Hoffnung, dass die Briten keine Artillerie einsetzen würden, um nicht ihr eigenes Kapital zu zerstören. Man könnte sagen, dass die konkrete Planung der Aktion nach dem ersten Überraschungsmoment nicht wesentlich ausgereifter war als bei einem Selbstmordattentäter.

Was wirklich passierte, strafte die Erwartungen oder Hoffnungen der Rebellen schnell Lügen. Eine Irland-weite Rebellion blieb aus, lediglich in den Counties Meath, Wexford, Cork und Galway kam es zu kleineren Gefechten. In Enniscorthy schlugen sich dabei die aufständischen Irish Volunteers nicht nur mit den “crown forces”, sondern auch mit Redmonds National Volunteers, die mit zweihundert Mann die RIC unterstützten.

Die Briten erwiesen sich als weniger flexibel als gedacht und machten keine Anstalten, Irland sofort als komplett unregierbar anzusehen – die Rebellion war für sie keine gesamtirische Angelegenheit, sondern eine Sinn-Fein-Aktivität, lokal begrenzt und ohne Rückhalt in der Bevölkerung. Eine durchaus realistische Einschätzung.

Die Deutschen dagegen beschossen am 25. April die englischen Hafenstädte Yarmouth und Lowestoft für zwanzig Minuten … ob in direkter Unterstützung der irischen Rebellen ist diskutabel. Das war dann aber auch schon alles an Aktivität. Und die britischen Truppen in Diensten des Kapitals? Die holten die Artillerie aus den Kasernen, bugsierten ein Kanonenboot die Liffey hinauf und fingen dann an, Dublins Innenstadt zu pulverisieren. Zweieinhalb Millionen Pfund Schaden wurde als “collateral damage” verbucht.

Militärisch gesehen tat sich kaum etwas – die Rebellen versuchten aus ihren Stellungen heraus lediglich, die britischen Truppen solange wie möglich aufzuhalten. Die Briten versuchten, die Rebellen aus ihren Stellungen zu vertreiben oder zu vernichten, was immer einfacher zu erreichen wäre.

Der Beginn dieser Polizeiaktion stand jedoch den irischen Amateurkriegern in Kopflosigkeit nicht nach – ein Trupp Uhlanen unter Colonel Hammond machte das, was bei aufständischen Einheimischen schon immer gewirkt hat: Kavallerieattacke. Dass Kavallerie auf Pflastersteinen und in Häuserschluchten weniger effektiv ist als in Natal oder anderen Orten stellte sich schnell heraus. Selbst die ungezielt und viel zu früh feuernden Rebellen schafften es, die britische Kavallerie zusammenzuschiessen und in die Flucht zu schlagen!

Abgesehen von dieser skurrilen Episode lief jedoch die britische Kriegsmaschine sofort an. Die gesamten in Irland stationierten Truppen wurden alarmiert und hauptsächlich nach Dublin in Bewegung gesetzt. Gleichzeitig forderte man aus London Verstärkung an … was beim zuständigen Kommandeur Lord French auf offene Ohren stiess – als Ire und bekennender Unionist war er der richtige Mann am richtigen Ort. Neben 8000 Mann und schweren Geschützen sandte er auch General Sir John Maxwell als neuen Oberkommandierenden nach Irland, einen Kolonialoffizier ohne Ahnung über die politische Situation in Irland, aber mit dem Auftrag zur gnadenlosen Niederschlagung des Aufstandes.

Der militärische Verlauf der Rebellion lässt sich kurz zusammenfassen:

Montag – Irish Volunteers und ICA besetzen strategische Punkte in Dublin, Polizei und Militär werden überrascht und bieten wenig Gegenwehr.

Dienstag – Britische Truppen isolieren die von den Rebellen gehaltenen Punkte weitgehend und befestigen das Trinity College. Kriegsrecht wird verhängt.

Mittwoch – Auf jeden Rebellen kommen zwanzig britische Soldaten, mit Artillerie und unterstützt durch das Kanonenboot “Helga” werden die Rebellenstützpunkte sturmreif geschossen. Starke Verluste der Briten bei Boland’s Mill. Gleichzeitig müssen sich die Rebellen im St. Stephen’s Green in das Royal College of Surgeons zurückziehen.

Donnerstag – Ankunft Sir John Maxwells und erster Einsatz der aus England eingeschifften Verstärkungstruppen. Diese eröffnen im Zweifelsfall das Feuer auf alle männlichen Bewohner Dublins, da die Mehrzahl der Rebellen in Zivilkleidung ist. Das GPO steht in Flammen und Connolly wird zweimal verwundet.

Freitag – Das GPO ist komplett abgeschnitten und brennt in voller Ausdehnung, die Besatzer ziehen sich zurück. Schwere Kämpfe an den Four Courts.

Samstag – Bedingungslose Kapitulation durch Pearse und Connolly. Insgesamt starben 116 britische Soldaten (neun weitere blieben schlicht verschwunden), dreizehn Mann der RIC und drei Polizisten der DMP. Unter den Toten befanden sich weiter 318 “Zivilisten”, denn nicht immer konnte zwischen Zuschauern und echten Rebellen differenziert werden. Offiziell geht man von 64 getöteten Kombattanten aus (wovon einer von einem durchgedrehten Kameraden erschossen wurde, den dann wiederum ein Offizier der Volunteers erschoss).

Die Legende des Osteraufstandes wurde jedoch nicht durch diese an sich kleinen Operationen gebildet, sondern durch das Nachspiel. Der Aufstand selbst geriet eher zum Schauertheater.

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