Temple Bar Trad Fest

Ein grauer Spätherbstmorgen in Temple Bar, Dublins In-Viertel. Die nassen Straßen assoziiert man mit dem von allen deutschen „Irlandexperten“ vorausgesagten Regen.

Erst die Reinigungsmaschine, die eine frische nasse Spur in der Cecilia Street hinter sich lässt, straft sie Lügen.

Vor dem Oliver St. John Gogarty legen Arbeiter neue Bordsteine, während ein Lkw-Fahrer gelassen wartet, dass Müllwerker ihm Platz machen.

Vor der VAThouse Bar werden leere Stoutfässer durch volle ersetzt. Büroangestellte verschwinden scherzend in einer Anwaltskanzlei in der Anglesea Street, während in einem Hauseingang in der Crown Alley drei Obdachlose noch tief in ihren Schlafsäcken stecken. Nur wenige Touristen streichen durch Temple Bar und die Straßen der Dubliner Innenstadt.

Die Schaufenster der Grafton Street zeigen sich in weihnachtlichem Gewand, junge Leute mit Einkaufstaschen eilen durch die Fußgängerzone, wo von den üblichen Straßenmusikern heute wenig zu sehen ist. Rund um das Trinity College erhöht sich der ohnehin große Anteil junger Bewohner der irischen Hauptstadt noch einmal dramatisch.

Studenten quellen in lauter Unterhaltung aus der Toreinfahrt der alterwürdigen Universität, kehren in ihre überteuerten WG-Zimmer zurück oder trinken einen Café Latte im klassischsten aller Dubliner Kaffeehäuser, bei Bewley’s, oder suchen einen der Cappuccino Places in Temple Bar auf. Hier bleibt es auch, im Vergleich zur Touristensaison, am Abend recht ruhig.

Es ist Wochenanfang und nur vereinzelte Gruppen ziehen von Pub zu Klub und umgekehrt. In einer Bar in der Anglesea Street spielen drei brillante Musiker für zwei betagte Ladies, die trotz einiger Gin Tonic, Rhythmus- und Textsicherheit beweisen. Mehr Gäste hat der Wirt heute nicht mehr zu bedienen. „Das liegt an der Jahreszeit“, meint er gleichgültig und reinigt um 22.00 Uhr schon mal die Zapfanlage. Das soll sich allerdings bald ändern … 

Video: The Maguires at Temple Bar Tradfest

Bericht des Temple Bar TradFest 2009

„The craic will be mighty“, verspricht Martin Harte vom Veranstalter TASCQ. Seine Begeisterung nimmt man ihm spätestens ab, wenn er das von Roise Goan auf die Bühnen in Temple Bar zugeschnittene Programm des „größten und besten Irish Traditional Musik- und Kulturfestivals in Dublin“ vorstellt.

Paddy, der älteste Sohn, spielte ab seinem sechsten Lebensjahr die Geige im traditionellen Stil, bevor er im Studium am Dublin College of Music eine klassische Ausbildung erlangte. Sein sicherlich größter Beitrag zum Erfolg der Musik Irlands war seine Zeit in der Bothy Band, die einige für die einflussreichste und innovativste Gruppe dieses Genres der letzten drei Jahrzehnte halten.

Am folgenden Abend, am Donnerstag, dem 29. Januar, um 20.30 Uhr, tritt als weiteres Mitglied der ehemaligen Bothy Band Paddy Keenan im Project Space auf. Sein Können auf den Uilleann Pipes und seine breitkrempigen Hüte als Markenzeichen machten ihn zur Legende.

Donal Lunny beschrieb ihn einmal als den „Jimi Hendrix der Pipes“. Mit zehn Jahren begann Paddy im heimatlichen Trim den irischen Dudelsack zu spielen und gab bereits vier Jahre später sein erstes großes Konzert im Gaiety Theatre in Dublin.

Solas „ist für die irische Musik das, was die Miles Davis Groups in den 1960ern und 1970ern für den Jazz waren“ schrieb der Berkshire Eagle über die „wirklich erste große irische Band Amerikas“ (Boston Herald).

Die Musiker um den Multiinstrumentalisten Seamus Egan (Flute, Low Whistle, Tin Whistle, Gitarren, Banjo, Bodhrán) werden ebenfalls am Donnerstagabend auftreten, jedoch in der Button Factory. Was soll man den Lesern und Leserinnen von irland.de über diese Band noch berichten, hat sie doch auch die deutschen Trad-Fans spätestens bei der Irish-Folk-Festival-Tour 2004 im Sturm erobert.

Seit ihrer New Yorker Anfangszeit Mitte der 1990er sind Solas eine der innovativsten und beliebtesten Tradbands diesseits und jenseits des großen Teiches. Ihre Alben werden mit Preisen überschüttet und ihre Verkaufszahlen sind für ihr Genre kollossal.

Sie haben mit ihrer Synthese aus alt und neu in der Tat ein helles Licht (deutsch für gälisch solas) in die irische Musikwelt getragen, welches hoffentlich noch lange strahlen wird.

Für das Freitagabendkonzert im Project Space hat sich Programmdirektorin Roise Goan für eine Mischung aus Jugend und Talent entschieden. Liam O’Connor wuchs in einer musikalischen Familie in Dublin auf, begann mit acht Jahren bei Seamus Glackin Fiddleunterricht zu nehmen und beendete seine Ausbildung am Dublin College of Music mit mehreren Auszeichnungen.

Er hält zahlreiche der begehrtesten irischen Musikpreise inne. O’Connor ist ferner ein begnadeter Konzertinaspieler. Er tourte ausgiebig durch Irland, trat im Fernsehen auf und gab Konzerte in den USA, Italien und Frankreich. Auch Seán McKeown stammt aus Dublin, auch ihm wurde die irische Musik durch Uilleann Pipes, Fiddle und Klavier spielende Eltern in die Wiege gelegt. Seine ersten und dann auch einzigen Unterrichtsstunden auf dem irischen Dudelsack bekam er von keinem geringeren als Seán Og Potts.

Ciarán Ó Maonaigh and Aidan O’Donnell kommen aus zwei entgegengesetzten Gegenden der hochmusikalischen Grafschaft Donegal . Ó Maonaigh stammt aus dem Gweedore-Gaeltacht in Nordwest-Donegal, während Aidan aus dem südlich gelegenen Dunkineely stammt. Wer wie Ó Maonaigh eine Tante namens Mairéad Ní Mhaonaigh und einen verstorbenen Onkel namens Frankie Kennedy hat, wird sich als Freizeitbeschäftigung wohl nicht für Brieftaubenzucht oder Ikebana interessiert haben.

So erlernte er seine erst Musik von seinem Großvater Prionsias Ó Maonaigh, einem angesehenen Fiddleplayer und -Lehrer aus Gweedore. Die Irish Times beendete kürzlich einen Artikel über Ciarán Ó Maonaigh mit dem Satz „Frage ihn nach seinen Lastern und er wird sagen: ‚playing tunes‘“.

Auch O’Donnell begann früh die Fiddle zu spielen, gewann 2007 den begehrten Oireachtas-na-Gaelige-Preis und zusammen mit Ó Maonaigh brachte er kürzlich das Album Fidil, heraus, auf dem außer ihren beiden Streichinstrumenten kein anderes Instrument von der Virtuosität der zwei Musiker aus Donegal ablenkt. Dieses Konzert wird sicherlich vor jugendlichem Elan nur so strotzen.

In der Button Factory, dem früheren Temple Bar Music Centre, findet zur gleichen Zeit das zweite „headline concert“ des Abends statt. Sicherlich eine der faszinierendsten Kombinationen des TradFests 2009 ist das Zusammentreffen des Meisters der Flute, Michael McGoldrick aus Manchester, mit dem kanadischen Trio Genticorum.

Mit Gitarre, Elektrobass, Fiddle, Mundorgel und Füßen will die Band aus Montréal den Besuchern die Musikkultur ihrer Provinz Québec nahe bringen, und man darf gespannt sein, wie sich diese mit McGoldricks Flöten zusammenfinden wird. Toss the Feathers, Lúnasa, Flook, Capercaillie sind nur einige der Bands, denen er angehörte. Die drei Soloalben, die er bisher aufnahm, zeugen von seiner Experimentierfreude.

Meisterhaft kombiniert er Traditionelles mit Jazz und anderen Genres. Kein Wunder, dass er auch von anderen Musikern wie Kate Rusby, dem Afro-Celt Sound System, Damien Dempsey, Alan Stivell u. a. gern gebucht wird.

Am vorletzten Abend des Festivals (Samstag, 31. Januar) hat der Besucher die Chance im Project Art Centre einige der besten weiblichen Talente zu bewundern, die die traditionelle irische Musik je hervorgebracht hat: Mairéad Ní Mhaonaigh, Moya Brennan und die Schwestern Triona und Maighread Ní Dhomhnaill.

Wie so viele der großen irischen Musiker kommt auch Mairéad Ní Mhaonaigh aus einer Familie in Gweedore, in der das musikalische Erbe Donegals gepflegt und frühzeitig an die nächste Generation weitergegeben wurde. Vater Prionsías Ó Maonaigh war ein anerkannter Fiddlespieler und als treibende Kraft bemüht, die lokale Musiktradition dauerhaft am Leben zu halten. So brachte er seiner Tochter früh das Geigespielen bei. Neben ihrem Vater war Paddy Glackin Mairéads größte Inspiration.

Sein Können verzauberte sie, als sie ihn im Alter von 14 Jahren bei einem Konzert sah. Schon bald war sie Donegals talentierteste Fiddlevirtuosin und faszinierte unter anderem einen gewissen Frankie Kennedy aus West-Belfast, der sich der Musik des Nordwestens verschrieben hatte. Die beiden wuchsen nicht nur musikalisch zusammen, sondern heirateten auch einander nach ihren Lehrerexamen.

Zwei Alben nahmen Mairéad Ní Maonaigh und Kennedy auf, bevor sie Altan gründeten, jene Band, die als eine der „traditional supergroups“ gilt. Mit Altan tourt Ní Maonaigh nach wie vor zu den großen Festivals und durch die Konzerthallen der Welt.

Die Sängerin, Harfenistin und Komponistin Moya Brennan hat ihre tiefen Wurzeln ebenfalls im Gweedore-Gaeltacht. Mit ihren Geschwistern trat sie im elterlichen Pub „Leo’s Tavern“ auf. In den Schulferien, in denen sie aus ihrer Klosterschule in Sligo heimkehrte, musizierte sie mit ihren Brüdern Ciarán und Pól und ihren kaum älteren Onkeln Noel und Pádraig Ó Dúgáin. Zusammen wurden sie Clannad, jene Band, deren „Traditionals“, anfänglich mit jazzigen Elementen angereichert, neue Hörgewohnheiten schuf.

Später drifteten sie verstärkt in eine kommerziell überaus erfolgreiche Richtung, die verächtlich „Celtic hush“ genannt wird. Das alles tut natürlich der magischen Stimme Moyas keinen Abbruch. Hier sei U2-Sänger Bono zitiert: „Ihre Stimme ist eine der größten, die das menschliche Ohr jemals gehört hat.“

Der Auftritt von Triona und Maighread Ní Dhomhnaill macht diesen Abend endgültig zu einem Donegal-Ereignis. Obwohl in Kells, Co. Meath , aufgewachsen, verbringen die beiden ihre Ferien in der nördlichen Heimat des Vaters Aodh. Er hatte für die Irish Folklore Commision Musik und Liedtexte gesammelt, nicht zuletzt auch von seiner Schwester Neillí, die ihr enormes Repertoire und ihren entspannten und feinsinnigen Stil an ihre Nichten und Neffen weitergab.

Trionas musikalischer Weg verlief unter anderem über die Gruppe Skara Brae zur legendären Bothy Band, in der auch ihr Bruder Micheál Ó Dhomhnaill mitspielte. Als diese sich 1979 auflöste, ging Triona über den Atlantik und schloss sich Touchstone an, einer Gruppe nordamerikanischer Musiker, die irische Lieder mit Bluegrasselementen verband. Nach vielen Umzügen von und nach Amerika, wohnt und arbeitet sie seit einigen Jahren wieder in Irland.

Ihre Schwester Maighread war bei der Gründung der Band Skara Brae im Jahre 1970 mit von der Partie. Seitdem ist ihre klare und kräftige Stimme aus der irischen Musik nicht mehr wegzudenken. Nach Veröffentlichung ihres ersten Soloalbums 1976 ging sie auf eine sehr erfolgreiche Nordamerika-Tour. Obwohl sie gelegentlich in Dubliner Clubs sang, und stimmlich einen großen London-Auftritt der Chieftains in den Achtzigerjahren unterstützte, war ihr ein Familienleben sehr wichtig.

Erst in den Neunzigern dachte sie an ein Comeback. Dieses gelang ihr unter anderem mit dem Album No Dowry, entstanden in Zusammenarbeit mit einem entfernten Cousin: Donal Lunny. Dieser holte sie auch zu den Aufnahmen zu seinem Coolfin-Album. Dass sie zu den ganz großen Sängerinnen Irlands gehört, zeigt auch der Verkauf von 500.000 verkauften Scheiben.

Wenn sich die Türen des Project Arts Centre nach diesem sicherlich grandiosen Konzert schließen werden, geht wahrscheinlich niemand gleich nach Hause oder in sein Hotel zurück. Denn für alle fünf Abende des TradFests haben die Veranstalter in 14 Temple-Bar-Pubs kostenlose Minikonzerte oder Sessions organisiert.

Daneben lockt ein umfangreiches Kulturprogramm mit Pipe Bands, die durch die Straßen marschieren werden, sowie ein Auftritt der berühmten Tulla Ceili Band im Meeting House Square. Im Irish Film Institute wird unter anderem die BBC-Produktion aus den Neunzigerjahren Bringing It All Back Hoome gezeigt.

Der in Kinvara lebende und für einige der bedeutendsten Zeitungen und Magazine arbeitende französische Fotograf Jacques Piraprez/Nutan zeigt in der Gallery of Photography Fotos, die er seit den 1960ern von irischen Musikern „geschossen“ hat. Er begann als regelmäßiger Besucher im O’Donoghues in Dublins Süden mit ihnen zu reden, zu trinken und sie dann zu fotografieren.

Am Sonntag, dem 1. Februar, dem Abschlusstag diese viel versprechenden Trad-Festivals wird sich nachmittags eine Parade durch die Straßen Temple Bars winden. Sie ist von der irischen Sage „Die Kinder des Lir“ inspiriert sowie durch das Werk des Komponisten Patrick Cassidy.

75 Schüler der St. Brigid’s National School werden in farbigsten und fantasievollsten Kostümen an der Parade teilnehmen. Nach fünf spannenden und ereignisreichen Tagen werden sich alle sicher sein: The craic was mighty, indeed!

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